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Gemäldegalerie Malerei Tafelmalerei [I.216]
https://id.smb.museum/digital-asset/5180747 (Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Provenance/Rights: Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Jörg P. Anders (CC BY-NC-SA)
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Herkules am Scheidewege (Hercules at a Crossroad)

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Description

Ehemals von Alois Hirt (unveröff. Auswahlliste, 1823) dem Umkreis von Barent van Orley zugeordnet und dann von Waagen(1830 und die folgenden Kataloge bis 1841) scharfsinnig Piero di Cosimo zugewiesen, schrieb Schubring 1915 diese cassone-Front Niccolo Soggi zu, dem Florentiner, dessen Familie aus dem Valdichiana stammte und der sich in Arezzo niedergelassen hatte. Die spätere Forschung hat diese Zuschreibung so gut wie nicht angezweifelt (allerdings ist das Werk im Katalog von 1931 als "Florentinische Schule um 1500" deklassiert), und so gilt es als bestes Werk des in und um Arezzo tätigen Künstlers in der Berliner Sammlungen aus der Zeit vor Guillaume de Marcillat [Id.Nr. I.317]. Es gilt jedoch zu betonen, dass Herkules am Scheidewege und eine Handvoll weiterer Gemälde im knappen Werkkatalog Soggis eine gewisse stilistische Wendung in den belegten Werken darstellen. Letzere sind anfänglich trügerisch für den Perugino-Schüler Soggi: Er ließ sich im Laufe der zwanziger Jahre des Cinquecento zu einer rigiden Monumentalität verleiten, die sich zu einer nordeuropäisch inspirierten Porträtlust (Van der Goes, Memling) und zu dem deutlichen Sinn für Urbanistik und Ausstattung gesellte, die dem Künstler und Architekten zu eigen waren. So stellt sich die Frage, ob es nun wirklich Soggi war, der in den Jahren nach seiner Lösung vom florentinischen Atelier Peruginos 1507 und vor der Geburt Christi, seinem Meisterwerk von 1521 in der Santissima Annunziata in Arezzo, eine Handvoll Werke mit hauptsächlich höfischen Themen schuf, die für private Ausstattungen und Auftraggeber gewissen Standes bestimmt waren und statisch-bizarr gestimmt sind. Die Kultur, die sich in diesen Werken spiegelt, steht in Einklang mit den Mythologien Piero di Cosimos (Waagen, Milanesi 1879), und mit einem gewissen Maß an Phantasie scheint die Qualität der grob umrissenen Figuren und der gleichsam versteinerten Körper ein wenig enttäuschend. Die Forschung (und insbesondere Baldini 1997) erkennt eine Verbindung zu den verlockenden, aber wie erstarrt wirkenden Werken aus zwei Serien, die stilistische Affinitäten aufweisen (und für diese Untergruppe aus dem Werkatalog Soggis herausgenommen wurden) und dem "Maestro dei Cassoni Campana" bzw. dem "Maestro di Tavarnelle" zugeordnet werden. Wenn nun dieser erfindungsreiche, in der Ausführung jedoch ungeschliffene Schöpfer des Herkules nun möglicherweise mit Soggi identisch ist, so kommt seine Sympathie für nordische Elemente (eingefügte Landschaften und Architekturen) einer nützlichen Präambel für Marcillat gleich. Das Thema der Herkules-Tafel ist als Allegorie der sowohl in Florenz als auch am Heiligen Stuhl Leos X. mit seinen Brüdern und Nepoten an die Macht zurückgekehrten Familie Medici der Jahre 1512-1513 zu deuten. Zu jener Zeit hatte Soggi parallel zu seinen Aktivitäten in Florenz ein Haus für sich und seine Geschwister in Arezzo gekauft, um auch dort für künstlerische Aufgaben zur Verfügung zu stehen, und war dann übergangsweise nach Rom gegangen. Die häusliche Bestimmung des Gemäldes für die noch ganz für das Quattrocento typische Dekoration eines Möbelstücks (lettuccio oder spalliera), scheint auf eine Wiederkehr laurenzianischen Prunks anzuspielen - auch Soggi sollte vom wiedererwachten Mäzenatentum profitieren. Im bürgerlichen Leben in Florenz war der Mythos des Herkules mit all seinen politischen Implikationen sehr lebendig, und im vorliegenden Fall ist der griechische Held geradezu ein Symbol für die tugenhafte Wahl (Panofsky 1930): Auch wenn sein Blick auf der jungen Dame zu seiner Linken ruht, die für das mühelos-höfische Leben steht, so zieht Herkules doch den beschwerlichen (Lebens-)Weg vor, zu dem ihn die reifere, streng und keusch gewandete Frau zu seiner Rechten geleitet. Am Ende der moralisch verwerflichen Lebensführung steht der verhängnisvolle Sturz in die rauchende Schlucht am rechten Rand der Szenerie, wohingegen das tugenhafte Leben letzlich zu entspannten Gesprächen auf dem Rasen rund um den tempietto im Stile Peruuginos am linken Rand führt. Die Personifizierungen von Erato und Terpsichore in der oberen Ecke garantieren dem Tugenhaften den Schutz der Künste, während die Umarmung eines Dominikanermönchs und eines Franziskaners auf doktrinäre Harmonie anspielt. Die winzigen Figuren des Mannes mit einem Kind auf den Schultern und der Frau, die Wasser aus dem Löwenmaul an der Vorderseite des tempietto schöpft, bekräftigen den hohen Wert der Familie. Die programmatische Rückkehr zur Harmonie, die eine gute Regierung, Frieden und Wohlstand garantiert, wird durch die beiden Männer bestätigt, die zur Musik eines Dritten tanzen, der gleichzeitig Blas- und Schlaginstrumente spielt. Auf stilistischer Ebene ist das Interesse für die figurative Welt Nordeuropas offenkundig - ob nun die Vorbilder für die Landschaften und die Architektur bei Dürer oder an andere Stelle zu finden sind. Ein Piero di Cosimo vergleichsbarer Geschmack, der, wie von Panofsky (1939) vorgeschlagen, auf die Landschaft in ´Bacchus entdeckt den Honig` (Worcester, Art Museum) verweist - mit dem Unterschied, dass sich der "hedonistische Evolutionismus" Pieros in den "asketischen Moralismus" Soggis wandelt. Die Schwächen in der Ausführung in diesem steifen Werk Soggis, die märchenhafte Atmosphäre und die ungeschliffen-expressionistische Ader erkennen wir auf einem deutlich naiveren Niveau auch in den Gemälden des sogenannten "Maestro dei Cassoni Campana", den Zeri (1976) für französischer Herkunft hielt. Gewisse erzählerische Züge und auch die Physiognomien (insbesondere die jenige der auf dem Streitross ihres kühnen Ritters sitzenden Dame in dem Grüppchen der zweiten Ebene rechts) haben viel mit dem expressiven Charakter Marcillats gemein. Gemälde dieser Art, zu denen auch - und besser - die den "Storie di Stella" gewidmeten Täfelchen für Geldschrankfronten (San Simeon, Kalifornien, Hearst Collecton) gehören, die Schubring dem dossier Soggis zuwies, müssen dem Franzosen bei seiner Ankunft in der Toskana 1515 vertraut gewesen sein. I Roberto Contini

Material/Technique

Pappelholz

Measurements

Bildmaß: 71,3 x 194 cm, Bildmaß (Höhe x Breite): 71.3 x 194 cm, Rahmenaußenmaß: 84 x 206 cm, Rahmenaußenmaß (Höhe x Breite): 84 x 206 cm

Gemäldegalerie

Object from: Gemäldegalerie

Die Gemäldegalerie besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen europäischer Malerei des 13. bis zum 18. Jahrhunderts. Die Bestände umfassen...

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