Ganzkörperliche Schwarz-Weiß-Fotografie einer Person, die vor einer neutralen Wand vermutlich in einem Raum steht. Sie trägt einen Anzug, der ihr, v. a. was die Länge der Hosenbeine anbelangt, viel zu groß ist. Unter der Jacke trägt sie ein weißes Hemd, eine schwarze Schleife am Hals sowie einen dunklen Hut auf dem Kopf. Sie steht aufrecht und wurde frontal fotografiert, beide Arme hängen locker am Körper herab. Ihr Blick geht leicht nach unten.
Kontext:
R. H. wurde als „Fall“ vom Gynäkologen Franz Ludwig von Neugebauer beschrieben. Demnach handelte es sich bei R. H. um eine intergeschlechtliche Person, die in der weiblichen Rolle erzogen worden war. Neugebauer fertigte zahlreiche Fotografien von R. H. an, u. a. auch die hier vorliegende, die dazu dienen sollte, „darnach zu forschen, welcher Art die Gesichtszüge eigentlich seien, männlich oder weiblich“ (vgl. Neugebauer: Hermaphroditismus beim Menschen, S. 398). „Merkwürdigerweise“ so stellt er fest, nachdem er die Fotos verschiedenen Personen gezeigt hatte, hätte es dazu ganz verschiedene Meinungen gegeben (vgl. ebd. S. 398f.).
Nachdem sich R. H. nicht darauf einlassen will, fortan als Mann zu leben, weil R. H. als Frau eine Ehe einzugehen wünscht, wundert sich Neugebauer über die Gesetzgebung bezüglich der geschlechtlichen Selbstverortung: „Der Prokurator, mit dem ich über eine solche Person Rücksprache nahm, sagte mir, eine Änderung der Metrik könne nur dann stattfinden, wenn die betreffende Person selbst eine solche Änderung verlange, zwingen aber könne man sie dazu nicht. Das heißt also mit anderen Worten: Das Gesetz gestattet einem irrtümlich als Mädchen erzogenen männlichen Scheinzwitter, auch wenn dieser Irrtum festgestellt worden ist, nach wie vor, im sozialen Leben als dem weiblichen Geschlechte angehörig zu figurieren. Das Gesetz bestraft jeden Mann, der in weiblicher Kleidung einhergeht angesichts wissentlichen Betruges, in diesem Falle aber duldet es einen solchen Betrug.“ (siehe ebd., S. 401).
Auch bei dem Sexualwissenschaftler und Sexualreformer Magnus Hirschfeld, findet „der Fall“ Eingang in seine Publikation „Geschlechtsübergänge“ und wird dort recht ausführlich mit Rückgriff auf Neugebauer behandelt. Allerdings verknüpft Hirschfeld dieses Bild (und andere Bilder) mit einem „Ratespiel“, infolge dessen die Betrachtenden die Frage beantworten sollen: „Mann oder Weib?“ (vgl. dort Text vor Tafel XXVIII).