Schwarz-Weiß-Fotografie einer Personen, die in einem Raum steht, vermutlich einem Untersuchungszimmer. Bis auf schwarze Kniestrümpfe ist die Person unbekleidet. Sie ist von hinten fotografiert und von Kopf bis etwas unterhalb der Knie sichtbar. Ihre Arme hängen am Körper herab. Ihre Haare trägt sie zu einem Dutt hochgesteckt. Im Hintergrund des Raums ist ein Teil eines Sideboards mit Schubladen und verschiedenen Gegenständen, darunter ein Krug, auf der Abstellfläche sichtbar.
Kontext:
Über die hier abgebildete Person gibt Hirschfeld in seiner Publikation „Geschlechtsübergänge“ ab S. 19 eine recht ausführliche Anamnese wieder, die sich über Angaben zu ihrer Kernfamilie im Rahmen der Vererbungslehre, über ihre Kindheit und Jugend bis zu ihrem aktuellen Zustand (40 jährig) erstreckt. Er beschreibt sie als eine Person, die den als „männlich“ geltenden Eigenschaften mehr entspricht als den „weiblichen“ und auch den „männlichen“ Vorlieben mehr abgewinnen kann als den „weiblichen“. Bei der Untersuchung ihrer Geschlechtsorgane stellte Hirschfeld das männliche Genitalgeschlecht fest. Sein Bericht endet mit dem Satz: „Meinen Vorschlag, ihre Metrik zu ändern und als Mann weiter zu leben, lehnte die Patientin ab, da sie das mit dieser Umänderung verknüpfte Aufsehen scheute und fürchtete, die ihr angenehm gewordene geschäftliche Stellung zu verlieren.“ (Vgl. Hirschfeld: Geschlechtsübergänge, S. 25)
Das Bild gehört zu einer Serie von mindestens vier Fotos und steht im Kontext der von Magnus Hirschfeld, Sexualwissenschaftler und Sexualreformer, entworfenen Konzept der „Zwischenstufen“.
Sehr verkürzt gesagt, beschreibt dieses Konzept die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstigen körperlichen Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstigen seelischen Eigenschaften.
Mit diesem Konzept verlagerte Hirschfeld bereits 1907 das biologisch-genitale Geschlecht hin zu einem, das u. a. auch auf der erlebten Identität beruhte. Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, R. (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher ging damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.
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