Das Fragment einer kleinen Votivstele zeigt eine große Nilgans, die vor einem Fächer auf einem Sockel steht. Sie ist ein heiliges Tier des Gottes Amun. Vor ihr steht ein Mann und überreicht ihr Lotosblumen. Seine skizzenhafte Figur ist nur undeutlich zu erkennen, Teile des Kopfes und des Gesichtes sind abgesplittert. Auch die Inschrift über ihm ist nicht vollständig erhalten, sodass sein Name nicht rekonstruiert werden kann. Die Stele war zunächst nur bemalt gewesen. Die gemalte Inschrift über dem Fächer gibt einen Hinweis auf die Darstellung: „die schöne Nilgans des Amun, die die Bitten erhört“. Das bedeutet, dass sich Amun in Form der Nilgans dem einzelnen Beter zuwandte und ihm sprichwörtlich ein „Ohr lieh“ beziehungsweise „zuhörte“. Über den Textzeilen sind Reste einer bogenförmigen Linie erhalten, die die kleine Votivstele ursprünglich eingefasst hat. Diese war als Weihgabe für den Gott Amun in einer Kapelle oder einem Tempel aufgestellt. Grundsätzlich stellten diese Art von Stelen neben dem Namen der angesprochenen Gottheit ihr Symbol oder auch ihr heiliges Tier dar. Sie brachten die persönliche Frömmigkeit des Stifters zum Ausdruck. Das Motiv der Nilgans als heiliges Tier für den Gott Amun ist ein besonderes Phänomen im Neuen Reich. Eine Besonderheit dieser Votivstele ist ihre spätere Überarbeitung: Sie wurde nachträglich in Relieftechnik teilweise neu gestaltet. Die Umrisslinien des Opfernden und der Blumen, sowie des Sockels und des Fächers wurden im Kalkstein nachgeritzt. Über der Gans sind neue Hieroglyphen in die Oberfläche eingemeißelt worden, die Bereiche der ursprünglichen Beischrift überdecken. Auch die neue Einfassung der Stele ist mit einer eingekratzten Linie gekennzeichnet. Der Text im Relief nennt ebenso wie die gezeichnete Inschrift die „schöne Nilgans des Amun“. Damit war die scheinbar spätere, sekundäre Verwendung der Stele ebenfalls dem Gott
Amun gewidmet.
(M. Jung)
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