Original: Deutsch
Wochenschrift für Klassische Philologie
XXXV. Jahrgang 1918
Sp-341 F. Sprater-A.Becker, Der "Brunholdisstuhl" bei Bad Dürkheim.
Kaiserslautern 1917.
Im Jahre 1889 hat Dr. Mehlis zum erstenmal römische Inschriften
vom sog. "Brunholdisstuhl”, - Sp. 342 - richtiger ”Krummholzerstuhl”
bei Dürkheim i. Pfalz veröffentlicht. Es ist dies ein mächtiges Fels-
massiv mit behauenen steinbruchartigen Wänden. Als er 1895 diese noch-
mals samt einer Reihe neuentdeckter Felsbilder veröffentlichte (Bonn.
Jahrb. 94, S. 45 ff.), hat F. Haug auf Grund von Autopsie das Ganze für
Phantasie und, wo etwas vorhanden ist, für Spielereien mittelalterli-
cher und neuerer Steinbrecher erklärt (Berl. phil. Wochenschrift 1894
Sp. 1237 ff.) und in einer kurzen Erwiderung auf Mehlis’ Abwehr den
sehr berechtigten Wunsch ausgesprochen,dass "diese Spuckgestalten vom
"BrunholdisStuhl" und dieser in dem Lichte der unerbittlichen Wahr-
heit für immer verschwinde”. Gleichzeitig lehnte auch Ohlenschlager,
ein ebenfalls sehr kompetenter Zeuge, alles ab; ebenso nachher Zange-
meister im C.I.L.XIII p.2, f. 1 (1905), wo er S. 13+ alle Inschriften von
dort unter den Falsae No. 1075+ff. aufzählt, ebenfalls auf Grund von
Autopsie i.J. 1898.-Nun taucht die ganze Sache wieder auf, durch neue
Funde gestützt und neu aufgeputzt, aber auch durch eine dem Entdecker
sehr wertvolle Autorität mitgetragen. Dass Mehlis mit dieser im ein-
zelnen nicht einig ist, ist zunächst Nebensache.
Der Uebergang der Fundstelle in den Privatbesitz zweier gemein-
nütziger Dürkheimer Vereine i.J. 1914 gab Veranlassung zur Wiederauf-
nahme der Aufräumungsarbeiten. Dabei fand man ein roh in den Felsen
gehauenes Relief. Mehlis erklärte es für Merkur, auf die Inschriften
zurückgreifend, von denen er drei demselben zugeschrieben hatte. Noch
unnötiger aber war, dass er nun mit dem ganzen Material aufs neue in
breitester Weise in die Oeffentlichkeit der Tagespresse und der wis-
senschaftlichen Zeitschriften ging. Das Korrespondenzblatt des Gesamt-
vereins der Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine sogar stellte
ihm in Heft 3 und 4 Jahrg. 1917 einen für Kriegszeiten gar unverständ-
lich grossen Raum zur Verfügung. Voher hatte schon der zuständige Spey-
erer Konservator Dr. Sprater in der Pfälz. Rundschau No. 60, 1917,im Re-
lief den Juppiter mit Rad erkannt und gegen die gröbsten Phantasien
des Entdeckers kurz Einspruch erhoben, woran sich eine wiederum in
dem genannten Korrespondenzblatt abgedruckte kleine Polemik anschl.
Ausführlicher und an der Hand von Abbildungen äussert sich nun
Sprater in vorliegender Schrift, in der er zuerst das angebliche Mer-
kurrelief dem Juppiter zuschreibt und dann den ganzen "Brunholdisstuhl"
für einen römischen Steinbruch erklärt. Eine 3. Abhandlung von Prof. Dr.
Becker-Zweibrücken weist die Fundstelle -Sp. 343 - als "Kultstätte" nach.
Man kann sich mit Beckers vorsichtigen Darlegungen durchaus einverstan-
den erklären, solange es sich um Verhältnisse des Mittelalters und neu-
erer Zeit handelt. Fraglich werden sie erst, wo er die Felszeichnungen
und das Relief als Beweise für uralte Kultübung daselbst anspricht.
Denn eben dies hohe Alter ist durchaus unbewiesen. Damit kommen wir zu
Spraters Beweisführungen, die uns hauptsächlich zu beschäftigen haben.
Ref. hält es schon für verfehlt, im Titel der Abhandlung den Namen
"Brunholdisstuhl", wenn auch mit Anführungszeichen, die im Text eben
fehlen, wieder aufzunehmen. Spr. gibt ja selber die Richtigkeit von Oh-
lenschlagers Nachweisen zu, dass der Name "Brunholdisstuhl" eine spä-
tere Umtaufe des ursprünglichen "Brunholdsstuhl" ist und ausserdem
einer ganz andern Stelle in der Umgebung Dürkheims zukommt. Und wenn
auch Brunholdisstuhl ob seines poetischeren Klangs einem Verschönerungs-
und Badverein annehmbarer erscheint, als der dem Felsmassiv von Alters
anhaftende "Krummholzerstuhl", so sollte eine wissenschaftliche Abhand-
lung dieser falschen Benennung kein Entgegenkommen zeigen, zumal sie
weiss, welcher Unfug mit dem Namen weiter getrieben wird. Auch die "all-
gemeine Einbürgerung" ist kein Grund zum Nachgeben. Wenn der lokale
Vertreter der Wissenschaft immer wieder trotz allen auch von ihm als
mindestens berechtigt zugegebenen Einwänden und Zweifeln an "Brunhol-
disstuhl" festhält, so ist die Zähigkeit dieser "allgemeinen Einbür-
gerung" ohne weiteres erklärt.
Die von Sprater S. 3 gegebene Abbildung des 1915/16 neu gefunde-
nen Felsreliefs ermöglicht auch ohne Autopsie ein ziemlich sicheres
Urteil. Selbstredend sind die des unbelehrbaren Mehlis’ Erklärungen
absolut unhaltbar. Aber auch die Deutung als Juppiter durch Sprater
halte ich für unbewiesen. Ist es römisch, so ist Juppiter nicht der ein-
zig Mögliche. Dass Mars nicht in Frage komme,erledigt Sprater damit,
dass dieser regelmässig bekleidet sei. Das Gegenteil ist der Fall, wie
zahlreiche Bronzen und Reliefs auf Vier- und Wochengöttersteinen (vgl.
z.B. Germania I S. 120 No. IV) zeigen. Spr. stützt seine Deutung durch ei-
nige eingeritzte Figuren und Zeichen, die der Fels aufweist. Unter den
Phantasien von Mehlis lässt er 4 Pferdefiguren und 3-4 Räder, teils
mit, teils ohne Stäbe bestehen (s. Abb. 4). Die Darstellung der Pferde
ist gänzlich uncharakteristisch und für die Räder auf Stäben erin-
nert Mehlis selbst, unter Zustimmung Spraters an die Stäbe mit Bre-
zeln, die am "Stabaustag" von den Kindern - Sp. 344 - der Gegend getragen wer
also an einen heute noch fortlebenden Brauch, der ja mit altem Son-
nenkult zusammenhängen mag. Dagegen entbehrt die Heranziehung des Ra-
des, das auf den Juppitergigantensäulen allerdings als Attribut des
Reiters vorkommt (Hertlein, Jupp.-Gig.-Säulen S. 33), zur Erklärung des
Reliefs eigentlich jeder Begründung. Und dass Spr. um Gründe verlegen
ist, zeigt die kunterbunte Anführung der verschiedensten Beweisstützen,
einer rein römischen Gesichtsurne, des Trundholmer Sonnenwagens der äl-
teren nordischen Bronzezeit, mit dem Schluss: "Wir sehen also, dass alle
Zeichnungen am Brunholdisstuhl dem Kult der Sonne geweiht sind”. Und
rasch wird dann schliesslich daraus der Kultplatz eines einheimischen
Licht- und Sonnengottes. Ganz abgesehen davon, dass das Rad des Juppiter
immer 4, nicht 6 Speichen, wie unsere FelsZeichnungen hat - sind für
die Räder der Zeichnungen, wenigstens für zwei, gerade der Stab und die
ganz unantiken Strahlen oben bezeichnend. Das erinnert an Frühjahrs-
sonnenfeste, deren Uebung bis ins 19.Jahrhundert hinein Dr. Becker aus
der Dürkheimer Gegend nachweist. Unbewiesen ist auch, selbst wenn das
Relief als römisch feststünde, die Gleichzeitigkeit desselben mit den
andern 15 m davon entfernt befindlichen, nur eingeritzten Zeichen und
Figuren. Für römischen Ursprung des Reliefs an sich spricht jedoch
nichts, gegen ihn aber die sehr mangelhafte Proportionierung (zu gros-
ser Kopf, zu kleine Füsse) und die überaus rohe Technik. Sprater sucht
endlich das ganze Felsmassiv daselbst als römischen Steinbruch zu er-
weisen, was schon Zangemeister als möglich angenommen hatte. Als Beweis
sind ihm abgesehen von der Technik - deren sicherlich vorhandene Man-
nigfaltigkeit meines Erachtens sehr zur Zurückhaltung in Schlüssen
mahnen sollte - "von grösster Wichtigkeit das Relief und die Zeich-
nungen", die durchaus den Eindruck roher römischer Arbeit machen. Was
sind das für trügerische Stützen für den Satz, dass "an dem Platze, an
dem man in römischer und vielleicht auch schon in vorrömischer Zeit
zu Ehren des Sonnengottes Feste veranstaltet hat, römische Steinbruch-
arbeiter das Bild des Sonnengottes und seiner Attribute in die Fels-
wände eingezeichnet haben"! Vergebens fragt man dann auch, warum römi-
sche Steine aus dem im Hardtgebirge vorkommenden weissen Sandstein,
wie der Altriper Beneficiarierstein CIL.6127 nur von dem Krummholzer-
stuhl stammen können. Schlieslich gibt ja Spr. S. 11 selbst zu, dass die
von ihm beschriebene Steinbruchtechnik am Krummholzerstuhl auch noch
in - Sp.345 - späterer Zeit angewendet worden ist. Und den daselbst ge-
machten Kleinfunden schreibt er auch kein grosses Gewicht zu, selbst
wenn sie römisch sind. Dass das aber unbewiesen ist, geht aus der vor-
sichtigen Aeusserung über den offenbar einzigen Fund, den er gesehen
hat, hervor, den er "nach Form und Technik als römisch ansprechen möch-
te". Selbst wenn weitere Ausgrabungen an der Sohle des Steinbruches
römische Funde ergeben würden, wäre die bereits römische Ausnützung
des Steinbruches nur wahrscheinlich, noch nicht gesichert und bliebe
die Behauptung, dass das Relief römisch und als Juppiter zu deuten
und mit den eingeritzten Rädern und Pferden in engsten Gedankenzu-
sammenhang zu bringen sei, immer noch unbewiesen.
P. Gössler, z.Zt. im Felde.
Dürkheim in der Rheinpfalz, von Heinr. Mayer
Mannheim 1857.
S. 117 ff. Ring- oder Heidenmauer.
Wo sie noch am bedeutendsten ist, hat sie eine Höhe von 10-12’
und eine Breite von 50-100?. Sie ist an 6 verschiedenen Theilen von
Oeffnungen durchbrochen, jedoch scheint der Haupteingang von Osten
her gewesen zu sein. Der von ihr umschlossene Raum enthält viele aus
unregelmässigen Steinen gebildete Hügel und Gräben von verschiedner
Grösse. Bei veranstalteten Nachgrabungen fand man einige römische
und mittelalterliche Münzen, sonst aber keine nennenswerthen Denkmale
der Vergangenheit.
Das Ganze stellt sich auf den ersten Blick als eine Verschanzung
aus einer sehr frühen Zeit dar. Es ist nur die Frage, durch wen sie ent-
standen sei, ob in der vorrömischen Zeit, ob durch die Römer, oder 451
durch die Hunnen unter Attila. Letzteres ist am wenigstens wahrschein-
lich, denn die Hunnen kamen bekanntlich in ungeheuern Schaaren, eine
solche aber fasste der Berg nicht. Dann wäre auch diese Mauer als Be-
festigung sehr unbedeutend gewesen; da bot überhaupt der Berg grössere
Sicherheit. Gegen Errichtung der Mauer durch die Römer spricht die Lage,
die Construction und der geringe Umfang des Werks. Auch fand man ausser
einigen Münzen sonst gar keine Spuren ihres Verweilens an diesem Ort.
Die Mauer muss also schon in vorrömischer Zeit durch die Germanen, oder
noch früher durch die Celten entstanden sein. Letzteres ist am wahr-
scheinlichsten, da die Germanen bekanntlich keine Verschanzungen und
Mauern zu errichten pflegten, sie vielmehr verachteten. Die Celten dage-
gen pflegten überall, wo sie waren, solche befestigte Plätze an schwer
zugänglichen Orten, auf Bergen, in Wäldern und zwischen Sümpfen zu er-
richten, wohin sich bei Streif- und Raubzügen die Bewohner einer ganzen
Gegend mit Hab und Gut flüchteten, bis die Gefahr vorüber war. Spuren
solcher befestigten Plätze finden sich auch auf dem Donnersberg, auf
dem Altkönig im Taunus, bei Deidesheim, auf dem Odilienberg bei Ober-
ehnheim im Elsass und in der Normandie.
Uebrigens wäre es möglich, dass dieser Raum auch ein heiliger
Bezirk war und der in der Nähe befindliche Teufelstein als Opfer-
stein diente, wie die oben in demselben befindliche Vertiefung und
die von demselben ausgehenden Rinnen schliessen lassen. Ueberdies
ist bekannt, dass solche Orte, wo früher von den heidnischen Priestern
Opfer dargebracht wurden, von den christlichen Missionären und Prie-
stern als dem Teufel geweihte, als Teufelsorte bezeichnet wurden,
welche Bezeichnung dann im Munde des Volkes sich erhielt. Gewisses
lässt sich jedoch nicht sagen. Neben dem historischen Interesse bie-
tet dieser Raum eine herrliche Aussicht auf die ganze Gegend, beson-
ders von dem gegen S.-O. gelegnen Platze, welchen man gewöhnlich und
eigenthümlich den "Krummholzerstuhl” nennt.