Den beklemmenden Zeitumständen im Nationalsozialismus setzte Barlach einige bukolische und besinnliche Plastiken entgegen, die sämtlich auf frühere Zeichnungen zurückgehen, wie „Vergnügtes Einbein“, 1934, „Lachende Alte“, 1936/37, „Der Buchleser“, 1936 und eben „Der Flötenbläser“. Die Figur folgt einer Zeichnung in Kohle von 1919/1920 (WVZ Wittboldt/Laur 2013, Teil 1, 1673). Reinhard Piper nahm sie, wie auch jene zum „Buchleser“ (vgl. B 19), in den Band der Barlach-„Zeichnungen“ (München 1935, Taf. 24) auf; damit war sie für den Künstler wieder neu präsent. Mit der Beschlagnahme des Bildbandes im März 1936 begann die Diffamierung seiner Werke, die bis zur Entfernung von vielen seiner Skulpturen in Museen und öffentlichen Räumen führte. Wohl noch vor dem Zugriff auf das Buch erarbeitete Barlach das Modell zum „Flötenbläser“. Im Mai entstand ein erster Bronzeguss für eine Ausstellung in der Berliner Galerie Karl Buchholz. Bereits im Juli war eine Holzfassung vollendet, die wenig später Hermann Reemstma erwarb (vgl. Ernst Barlach. Werke und Werkentwürfe aus fünf Jahrzehnten, Band 1: Vorworte, Einleitung. Plastik 1894–1937, Ausst.-Kat., Berlin, 1981, S. 121 f.). Noch im selben Jahr schuf Barlach eine zweite Holzskulptur in halber Größe (WVZ Laur 2006, 597, 598). Ab 1937 gab er zahlreiche weitere Bronzegüsse in Auftrag. Der Bildhauer stellte die Figuren „Flötenbläser“ und „Buchleser“ konzentriert und in sich gekehrt dar, ganz ihrem Tun hingegeben, wobei ihnen der sie jeweils umhüllende Mantel den ruhigen, sehr geschlossenen Umriss verleiht. | Angelika Wesenberg
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