Nach ersten aus Aststücken geschnitzten aufrechten Frauenstatuetten ist die „Eva“ für Maillols Frühzeit erstaunlich bewegt. Für ihre bisherige Datierung auf 1898 oder 1899 gibt es keine Belege. Stilistisch passt sie eher in die Zeit um 1905, als Maillol die Statue „L’action enchaînée“ („Gefesselte Aktion“) als Denkmal für den Sozialisten Auguste Blanqui konzipierte (aufgestellt in Puget-Théniers). 1903/1904 hatte der Bildhauer eine - allerdings bekleidete – Holzskulptur in gleicher Größe und Komposition für den Schriftsteller Octave Mirbeau geschnitzt. Ihre Entstehungszeit ist durch einen Brief Mirbeaus an Maillol gesichert (Auktion 1980). Mit der „Eva“ hat der Künstler die wenig bekannte Holzskulptur weiterentwickelt. Beide Statuetten sind in den Proportionen, der energischen Bewegung und dem Ausdruck des Gesichts von Maillols Modell, seiner Gattin Clotilde (1873–1952), geprägt. Der Bildhauer ließ die Werke, die er selbst in Bronze herausgab, in nur vier Exemplaren herstellen. Von der originalen Auflage der „Eva“ ist derzeit einzig das vorliegende Stück bekannt. Ein Aufkleber der Pariser Galerie Druet bestätigt es als Guss zu Lebzeiten Maillols. Die Figur ist darauf „Pomone“ genannt, weil sie einen Apfel in der Hand hält. Den Titel „Ève“ führte erst John Rewald ein (Maillol, Paris 1939, S. 76); die gängige Bezeichnung „Ève à la pomme“ (Eva mit dem Apfel) ist posthum. Die Originalauflage muss Florentin Godard gegossen haben, mit dem Maillol vor dem Ersten Weltkrieg zusammenarbeitete. Godard signierte seine Güsse ganz selten. Wegen mehrerer posthumer Auflagen nimmt die zu Lebzeiten des Künstlers gegossene Figur der Nationalgalerie einen besonderen Rang ein. | Ursel Berger
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