Nach den stilisierten Figuren der frühen 1920er-Jahre (vgl. „Klage“, B I 443) kehrte Kolbe um die Mitte des Jahrzehnts zu einer natürlicheren Formensprache zurück. Typisch für die Werke dieser Zeit ist eine lockere, gleichsam impressionistische Oberfläche. Besonders beliebt waren seine Figuren mittlerer Größe, die sportlich oder graziös, ausgelassen oder besinnlich erscheinen. Letztere waren im gesamten Werk des Bildhauers die beliebtesten Figuren überhaupt. Von der „Knienden“ wurden circa sechzig Bronzen in der Berliner Gießerei Noack hergestellt; zu Lebzeiten des Künstlers waren es schon etwa vierzig Güsse. Exemplare befinden sich in Museen von Duisburg, Gelsenkirchen, Saarbrücken, Den Haag, Philadelphia, Princeton und im Georg Kolbe Museum, Berlin (Nachlass des Künstlers), sowie in zahlreichen Privatsammlungen. Die vorliegende Bronze kam auf ungewöhnliche Weise in die Sammlung der Nationalgalerie (Ost). Kolbe hatte im Zweiten Weltkrieg seine eigenen Zeichnungen in der Nationalgalerie untergestellt. Diese gelangten nach Kriegsende mit Beständen der Museumsinsel in die Sowjetunion. Kolbe-Zeichnungen befanden sich dann auch unter den Rückgaben nach Ost-Berlin. Maria von Tiesenhausen, die Enkelin des Bildhauers und damalige Leiterin des Georg Kolbe Museums in Berlin (West), gelang es 1970, ein umfangreiches Konvolut zurückzuerhalten. In diesem Zusammenhang übergab sie der Nationalgalerie (Ost) die Bronze der „Knienden“, außerdem verblieb ein kleiner Teil der Zeichnungen in den Staatlichen Museen (heute im Kupferstichkabinett). Zuvor hatte schon die Eremitage in Sankt Petersburg etliche der schönsten Zeichnungen einbehalten. | Ursel Berger
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