Mit ihrer Hinwendung zu einem naturalistischeren Stil entwickelte Steger auch einen neuen Frauentyp. Dieser ist weniger bewegt und expressiv als ihre früheren Figuren und von einer herben, zeitlosen Schönheit. Ihre kleinformatige „Schreitende Frau mit Krug“ wird von einem durchsichtig wirkenden Tuch in ihrer Nacktheit eher umspielt als verdeckt. Den Kopf hält sie geneigt, im verklärt nach oben gewandten Antlitz sind die Augen geschlossen. Trotz der angedeuteten Schrittbewegung wirkt die Figur statuarisch. Der Blickpunkt liegt auf dem markant modellierten Gesicht und dem Krug, den die Frau auf der rechten Schulter trägt. Krugträgerinnen waren seit der Antike und später vor allem im Klassizismus ein gängiges Bildmotiv und Symbol der Reinheit. Als Bildhauerin hatte sich Steger schon früh und als eine der wenigen Frauen in der Kunstwelt der Weimarer Republik etabliert. An ihr prallte das Vorurteil ab, dass Frauen zu schwach seien, Materialien wie Holz und Stein zu bearbeiten. Sie wurde als Talent gefeiert, welches sich einer geschlechtsspezifischen Zuordnung entziehe und „nur noch der künstlerisch empfindende, erlebende und arbeitende Mensch“ sei (Zwei Bildnerinnen über ihr Schaffen, in: Koralle, 4. Jg. [1936], H. 5, S. 156). Mit burschikosem Kurzhaarschnitt und stets in Männerkleidung auftretend entzog sich Steger auch optisch den herrschenden Normen von Weiblichkeit. Sie trat für die Rechte von Frauen ein, kämpfte 1919 für deren Zulassung an den Kunstakademien und reaktivierte 1927 den Verein der Berliner Künstlerinnen, an dessen Unterrichtsanstalt sie von 1929 bis 1942 die Klasse für Bildhauerei leitete. | Maike Steinkamp
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