Original: Deutsch
VERORDNUNG Nr. 140
SPEZIAL ORDONNANZ
BETREFFEND DEN VON DER HOHEN KOMMISSION
GEWÄHRTEN SCHUTZ FÜR DIE BEAMTEN, ANGE-
STELLTEN UND PRIVATPERSONEN, DIE SICH DEN
SPEZIAL ORDONNANZ DER HOHEN KOMMISSION
UNTERWORFEN HABEN.
DIE HOHE INTERALLIIERTE RHEINLANDKOMMISSION VERORDNET:
Mit Rücksicht auf die Weisungen, welche gewisse Oberkom-
missare von ihren Regierungen infolge der von der Reparations-
kommission festgestellten vorsätzlichen Verfehlungen Deutsch-
lands erhalten haben, was folgt:
Artikel 1.
Die Beamten und Angestellten, welche den durch die Verord-
nungen 132, 133, 134, 135, 136, 137 und 138, sowie durch alle nach-
folgenden Verordnungen, betreffend die Beschlagnahme von
Pfändern, der Amtsgewalt der Hohen Interalliierten Rheinland-
kommission unterstellten verschiedenen Verwaltungen angehören
und durch ihren Dienst dazu berufen sind, unmittelbar oder mittel-
bar bei der Beschlagnahme dieser Pfänder mitzuwirken, können von
Seiten der deutschen Behörden wegen einer zur Sicherstellung der
Anwendung oder Vollstreckung der Spezial-Ordonnanzen der
Hohen Kommission vorgenommenen Handlung weder mit einer
gerichtlichen Strafverfolgung belegt werden, noch mit irgendeiner
Strafmassnahme, sei es unmittelbar oder mittelbar, sei es gericht-
lich oder im Verwaltungswege, noch mit irgendeiner Beeinträchti-
gung ihrer erworbenen Rechte.
Artikel 2.
Es darf gegen eine Person, eine Firma oder Gesellschaft kei-
nerlei Strafverfolgung eingeleitet werden, und es darf gegen diese
Person, Firma oder Gesellschaft keinerlei Strafmassnahme ver-
hängt werden, sei es unmittelbar oder mittelbar, gerichtlich oder
im Verwaltungswege, wegen einer von ihr vorgenommenen Hand-
lung, wenn diese Handlung auf Grund der Spezial-Ordonnanzen
der Hohen Kommission oder auf Grund der in Ausführung dieser
Ordonnanzen getroffenen Anordnungen erlaubt war. Insbesondere
haben alle gemäss den Spezial-Ordonnazen der Hohen Kommis-
sion an die alliierten Behörden geleisteten Auszahlungen und Ein-
zahlungen erfüllende Wirkung, und es darf darüber hinaus keine
Klage gegen die Schuldner anhängig gemacht werden, um sie zu
veranlassen, sich erneut gegenüber der deutschen Verwaltung von
den Verpflichtungen zu befreien, von denen sie sich gegenüber den
Alliierten gemäss den Spezial-Ordonnanzen der Hohen Kommis-
sion bereits befreit haben.
Artikel 3.
§ 1. Wer die Vorrechte der Artikel 1 und 2 dieser Verord-
nung anrufen will, hat seinen Antrag an das mit der Sache befasste
Gericht oder an die mit der Sache befasste deutsche Behörde zu
richten. Das Gericht oder die deutsche Behörde hat bis zu einer
hierüber getroffenen endgültigen Entscheidung jedes Verfahren
in der schwebenden Sache zu unterbrechen.
Der Beteiligte hat binnen einer Frist von 8 Tagen sein Gesuch
an die Hohe Interalliierte Rheinlandkommission zu richten, welche
über die Fortsetzung der Sache entscheidet.
§ 2. Wenn im Falle der Verhaftung, der Beschlagnahme oder
der Einziehung von Vermögensstücken die von dieser Massnahme
betroffene Person die durch die Artikel 1 und 2 dieser Verordnung
gewährten Vorrechte oder Vorteile in Anspruch nimmt, sind die
deutschen Behörden verpflichtet, dieses Gesuch sofort und ohne
Verzögerung dem Kreisdelegierten der Hohen Kommission zu
übermitteln, sowie ferner bei Verhaftungen den Betroffenen dem
Delegierten unverzüglich vorzuführen.
Der Delegierte hat das Gesuch mit Beschleunigung und seiner
schriftlichen Äusserung der Hohen Interalliierten Rheinlandkom-
mission zu übermitteln. Die Hohe Kommission kann die Freilas-
sung des Beschuldigten oder die Aufhebung der Beschlagnahme
oder Einziehung bis zum Erlasse einer endgültigen Entscheidung
anordnen.
In dringenden Fällen kann der Delegierte diese Massnahmen
selbst anordnen mit der Verpflichtung, sofort an die Hohe Kom-
mission zu berichten.
Artikel 4.
Wer durch Zwang, Drohungen oder irgendwelche Manöver die
deutschen Beamten, Angestellten oder Privatpersonen vom Ge-
horsam gegen die im Artikel 1 genannten Verordnungen der Hohen
Kommission abwendet, verwirkt die in dieser Verordnung an-
gedrohten Strafen.
Artikel 5.
Wer dieser Verordnung zuwiderhandelt, wird mit einer Geld-
strafe bis zur Höhe von 50 Millionen Mark oder mit Gefängnis bis
zu 5 Jahren oder mit einer dieser beiden Strafen allein bestraft.
Artikel 6.
Der von der Hohen Interalliierten Rheinlandkommission un-
ter den in dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen ge-
währte Schutz erstreckt sich auch auf die in dieser Verordnung
genannten Personen und Vermögensstücke, die sich im Gebiete
des Brückenkopfes Kehl befinden..
Artikel 7.
Die Verordnung tritt sofort in Kraft.
Coblenz, den 2. Februar 1923.
HOHE INTERALLIIERTE RHEINLANDKOMMISSION.