Seit Karl-Ludwig Lange mit 17 Jahren nach Berlin kam, hat er sich als Fotograf der Stadtgeschichte und Industriearchäologie Berlins gewidmet. Seit über vier Jahrzehnten flaniert er durch die ehemals geteilte Stadt und fotografiert im Eigenauftrag ihre Eigenheiten, blickt dabei auf repräsentative Gebäude ebenso wie auf Baustellen und dunkle Hinterhöfe und hält in Langzeitserien den historischen Wandel der Bezirke fest. Seit der Wiedervereinigung hat außerdem kein anderer Fotograf aus Westberlin seinen Blick so umfassend und konsequent auf Ost-Berlin gerichtet.
1994 entstand eine Foto-Serie am Kurfürstendamm in Berlin-Charlottenburg. Darunter ist auch die vorliegende Fotografie, welche das sogenannte Kranzler Eck zeigt, die verkehrsreiche Kreuzung vom Ku‘damm und der Joachimsthaler Straße. Es ist die letzte Aufnahme in einer fünfteiligen Sequenz: Ein Mann mit einer Einkaufstüte läuft von der Fahrbahn zurück zum Bürgersteig. Augenblicke zuvor hatte er die Kreuzung mit dem Rad passiert, die Einkaufstüte verloren und sie im fließenden Verkehr wieder aufgehoben. Lange fokussiert die Kamera auf den Mann, im Hintergrund ragt das historische Kaffeehaus Kranzler über dem Geschehen. Das Gebäude mit seiner rot-weiß gestreiften Markise der 50er Jahre, das bis 2000 eine Institution und ein Touristen-Hotspot in West-Berlin war, wird zur Kulisse eines kleinen menschlichen Dramas im urbanen Alltag.
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