Becher mit zugehörigem Deckel aus dickwandigem, farblosem Kristallglas. Wandung und Deckel sind in Hoch- und Tiefschnitt gestaltet. Auf dem Becher ist ein nach dem römischen Gott des Weines, Bacchus, benanntes Fest wiedergegeben, wobei die Feiernden als Kinder oder Putti dargestellt sind. Sechs Kinder, eines davon mit Bocksbeinen, tanzen zur Musik eines Satyrs und einer Mänade, während ein weinbekränzter kindlicher Bacchus auf einer Ziege reitet und einem weiteren Kind eine Traube reicht. Der Becher zeigt weniger eine Handlungsabfolge als vielmehr eine weinbeseelte Stimmung von ungetrübter Ausgelassenheit. Mit Wein gefüllt, sorgt der Becher nach tatenreichem Tage für Wohl und Gesundheit: die barocke Vorstellung von Wellness sozusagen, die sich in den guten Wünschen beim Zuprosten bis heute erhalten hat. Kinderbacchanalien waren im 17. und 18. Jahrhundert ein beliebtes Thema für das deutsche und niederländische Kunsthandwerk, vor allem in Elfenbein. Das durchsichtige Glasmaterial erlaubt besondere Wirkungen, die Gottfried Spiller einzigartig zu nutzen wusste. Er beschränkte den Kindertanz auf ein unteres Register, darüber gibt das Glas den Blick frei auf Satyr und Mänade – auf die Begleitmusik. Die Figuren sind sehr tief in das Glas eingeschnitten und gewinnen dadurch an Volumen. Vor allem aber wirken Licht und Schatten beim Tiefschnitt anders als bei einem Hochrelief. [Dedo von Kerssenbrock-Krosigk]
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