Zur Werkgruppe “Menschen“
Eine umfangreiche Gruppe in Gerda Leos Werk bilden fotografische Porträts. In ihren freien Fotografien experimentierte sie auch über konventionelle Sehgewohnheiten hinaus. Die Bildnisse ihrer Familie, aus dem Freundeskreis oder im Umfeld ihres Studiums an der “Burg“ reichen von en face-Darstellungen bis hin zum verlorenen Profil und zeigen Situationen oder Inszenierungen, in Innen- oder Außenaufnahmen. Einige stilistische und kompositorische Mittel finden sich immer wieder: Tageslicht fällt meist als starkes Seitenlicht auf die Gesichter, so dass, vor allem bei en face-Darstellungen, eine Gesichtshälfte im Dunkel bleibt. Zudem sind die Portraitierten häufig knapp ins Format gesetzt, bis hin zum Anschnitt, oft vor nicht näher definierbarem, hellen oder dunklen Hintergrund. Diese Elemente ihrer Bildsprache finden sich schließlich auch in anderen Sujets wieder, etwa bei Pflanzen- oder Sachaufnahmen. Gerda Leos Aussage: “Man nimmt nur auf, was schon in einem drin ist.“ wird hier visuell nachvollziehbar (zit. n. Staatliche Galerie Moritzburg (Hrsg.), Gerda Leo. Photographien 1926–1932, Leipzig 1994, S. 75).
Zum Motiv “Brigitte Marcks mit Spielkamerad“
Vermittelt über Hans Finsler erhielt Gerda Leo 1929 den Auftrag, die Familie von Gerhard Marcks (1889-1981) zu fotografieren. In mehreren Aufnahmen entstanden dafür Einzel- und Doppelportraits sowie ein Familienbildnis. Gerhard Marcks wechselte 1925 vom "Staatlichen Bauhaus" nach Halle an die "Burg“, wo er bis zur Diffamierung und Entlassung durch die Nationalsozialisten 1933 die Bildhauerklasse leitete. Marcks und Leo dürften sich daher bereits vor dem Auftrag gekannt haben. Diese Fotografie zeigt Brigitte Marcks, die Älteste der vier Kinder, mit einem Freund auf einer Wasserpumpe stehend auf dem Gelände der Oberburg. Gerda Leo zwängt die Kinder nicht ein: Sie müssen nicht hübsch zurechtgemacht, klassisch auf einem Stuhl sitzend, in die Kamera lächeln. Vielmehr zeigt sie das spielerische Naturell, indem die Kinder fröhlich an der Kamera vorbeischauend, sich frei auf der Wasserpumpe positionieren. Selbstverständlich ist die Aufnahme gestellt und kompositorisch von Gerda Leo wohl durchdacht, doch wirkt sie durch die Lebendigkeit der Kinder wie ein Schnappschuss.
Schenkung Gerda d'Oliveira-Leo, Amsterdam
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