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Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir Schriftgut [2022/0153/040]
Satirezeitung Rote Hand Jubiläums-Nummer 1919: Seite 1 (Museumsgesellschaft Bad Dürkheim e. V. CC BY-NC-SA)
Provenance/Rights: Museumsgesellschaft Bad Dürkheim e. V. / Hans-Günter Förster (CC BY-NC-SA)
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Satirezeitung Rote Hand Jubiläums-Nummer 1919

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Description

Politische Satire-Zeitung, 1 Seite erhalten

Jubiläums-Nummer
ROTE HAND
SATIRISCH-POLITISCHE PARTEILOSE ZEITUNG
Nr. 23/24 Jahrgang 1919 Nr. 23/24

Ein Jahr Revolution! Ein Jahr Republik, Räterepublik, Volksstaat, Freistaat usw.!! Ein Jahr Durcheinander! Juch-hu!!
8. 11.19

Errungenschaften der Revolution.
Die deutsche Valuta.
Der Eisenbahnverkehr
Das Lohnwesen
Das Streitwesen
Die Sittlichkeit
Die Ernährungsverhältnisse
Sicherheitswesen
Vor einem Jahre war's.
Selbstentmannung auf offenem Markte.
Die Proletarierwelt von heute.
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit
Der Volksstaat Bayern.
Bayern ist fortan ein Freistaat.
Eine neue Zeit hebt an!
Der Rat geistiger Arbeiter.
Unser Appell an das Weltgewissen blieb nicht ungehört.
Deutsches Reichswappen.
Der Reisezweck.
Die Abgebrühten

Gesamten Inhalt siehe Transkript/Abschrift

Material/Technique

Papier / Schwarzweissdruck

Measurements

Länge: 51,6 cm, Breite: 37,7 cm, Stückzahl: 1, Seitenzahl: 1

Transcript

Original: Deutsch

ROTE HAND Fernruf: 33431 Postscheck-Konto: München 3830 Preis der Doppelnummer 60 Pf. Herausgegeben von Ost-Petersen, München, unter Mitarbeit namhafter Schriftsteller und Künstler. Erscheint wöchentlich 1 mal. Verlags- und Redaktionsanschrift: Ost-Petersen, München 2 Für Einsendungen ohne Rückporto wird keine Verantwortung übernommen. Oesterreichische Postsparkasse Konto 105065 Insertionspreis: die 9 mal gespaltene Nonpareillezeile 80 Pf. Bei Wiederholungen Rabatt. Abonnementspreis: durch die Post bezogen — vierteljährl. M. 3.60, halbjährl. M. 7.20, jährl. M. 14.40; unter Streifband vierteljährl., M. 4.25, halbjährl. M. 8.50. Einzelnummer 35 Pf. Nr. 23/24 Jahrgang 1919 Nr. 23/24 Ein Jahr Revolution! Ein Jahr Republik, Räterepublik, Volksstaat, Freistaat usw.!! Ein Jahr Durcheinander! Juch-hu!! 8.11.19 Errungenschaften der Revolution. Die Regierungsform ist im Laufe eines Jahres in Bayern mannigfaltiger und abwechslungsreicher gewesen als sonst in hundert Jahren der bayerischen Geschichte. Bayern hat in dem einen Revolutionsjahr nicht weniger als zwölf Regierungen gehabt und zwar: 1. Revolutionsregierung Eisner vom 7. November 1918 bis 21. Februar 1919. 2. Regierung des Zentralrates der A.-, S.- und B.-Räte vom 21. Februar bis 17. März. 3. Verfassungs- und gesetzmäßige Regierung Hoffmann von, 17. März bis 7. April. 4. Räterepublik des Zentralrates! vom 7. April bis 30. April. 5. Diktatur der Münchner Garnison am 13. April. 6. Kommunistische Räterepublik vom 13. bis 21. April. 7. Betriebsräte-Provisorium vom 27. bis 28. April. 8. Diktatur der Betriebsräte vom 28. bis 29. April. 9. Diktatur der Roten Armee vom 29. April bis 1. Mai. 10. Mehrheitssozialistischer Aktionsausschuß vom 1. bis 3. Mai. 11. Regierung Hoffmann. 12. Koalitionsregierung Hoffmann. Was weiter kommt, ist unbekannt. Die deutsche Valuta. Die Kaufkraft des deutschen Geldes hat sich im Revolutionsjahr folgendermaßen entwickelt: Anfang November 1918 betrug der Marktwert gegenüber dem Friedensstand 66 Pf. Anfang Dezember 1918 45 Pf. Am 7. März 1919 38 Pf. Anfang April 1919 3b Pf. 20. April 32 Pf. Am Revolutionsjahrestag 10 Pf. Das deutsche Post- und Telegraphenwesen hat sich im Revolutionsjahr scheinbar verschlechtert. Böse Menschen behaupten, daß die sonst vorbildlichen deutschen postalischen Einrichtungen auf der ganzen Welt, mit Ausnahme Neuseelands und des inneren Afrikas, als die schlechtesten gelten. Das ist aber nicht wahr. Die Postverhältnisse haben sich lediglich vereinfacht. Man will damit den allgemein bekämpften Kapitalismus an seiner empfindlichsten Stelle packen. Der Eisenbahnverkehr muß aus Kohlenmangel ausgerechnet zum Jahrestag der Revolution eingestellt werden, weil in- folge der andauernden Streiks keine Kohlen mehr vorhanden sind. Dadurch ist es wenigstens an einer Stelle gelungen, die Klassenunterschiede zu beseitigen. Und wir nähern uns immer mehr dem idealen Zustand der Postkutschenzeit, die ja auch die gute alte Zeit genannt wird. Das Lohnwesen hat sich im neuen Staat während eines Jahres außerordentlich gebessert. Die Straßenkehrer verdienen das, was einst die Minister verdienten ; die früheren Minister dagegen das, was die Straßenkehrer. Damit sind alle geistigen Unterschiede ausgeglichen und die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg selbst dem Dümmsten gegeben. Das Streikwesen hat ebenfalls an Entwicklung und Bedeutung kolossal gewonnen. Was früher nur durch langwierige Ausbildung, durch Ehrlichkeit, Fleiß und Tüchtigkeit erreicht werden konnte, wird heute dank den Organisationen durch Streiks mühelos erzwungen. Gestreikt wird überall und alle Tage. Im Streiken nimmt die deutsche Republik auf der ganzen Welt die führende Stellung ein. Gell, Sepp, weit hamma's bracht! Die Sittlichkeit hat in einem Jahr so weit zugenommen, daß die weiblichen Abgeordneten in der Nationalversammlung die Aufhebung der Sittlichkeitspolizei verlangen. Die Ernährungsverhältisse haben sich im Revolutionsjahre in ungeahnter Weise zugunsten der ärmeren Bevölkerung entwickelt. Wo früher sich nur der Reiche teuere Sachen leisten konnte, ist heute selbst dem einfachsten Arbeiter die Gelegenheit geboten, solche zu kaufen. Um für die ärmere Bevölkerung die Auswahl der teueren Sachen möglichst groß zu gestalten, ist alles verteuert worden. Die Verteuerungen im Laufe des republikanischen Jahres betragen zirka 100—200%. Auch das Sicherheitswesen weist einen Fortschritt auf. Raubmord und Diebstahl werden nicht mehr, wie sonst, nur vereinzelt oder im kleinen verübt, sondern im großen betrieben. Die Kriminalität ist stellenweise um 100% gestiegen. Aus den Reihen der Zuchthäuser sind bedeutende Staatsmänner entstanden und umgekehrt. Überall Fortschritt! Am Jahrestag der Revolution können wir mit Bela Kun, dem genialen Raubmörder von Ungarn, unseren verjagten Fürsten stolz zurufen: „Kommt zu uns und seht, wie wir arbeiten!" Vor einem Jahre war's. Vor einem Jahre war es. Ein unseliger Novemberabend war hereingebrochen, da wälzten sich von der Theresienwiese, auf der eine unglaublich schwächliche Regierung die Abhaltung von Massenversammlungen erlaubt hatte, Ströme von irregeleiteten Menschen in das Innere der einst so stolzen Kgl. Haupt- und Residenzstadt München. Ein Fanatiker, den seine näheren Bekannten vertraulich einen „kranken" Mann nannten, in seinem Äußeren mehr an einen Löwen als an einen Kulturmenschen erinnernd, führte die bis zum Wahnsinn aufgepeitschte, revolutionäre Masse. Ein Jude war's, der die seelische Depression, unter der die reichstreue und bayerisch gesinnte Bevölkerung infolge des unglückseligen Zusammenbruches der Front stand, skrupellos für seine egoistischen Zwecke ausnützte und an der Spitze eines revolutionären, lichtscheuen Gesindels die Revolution ausrief. Die Massen folgten ihm wie die willenlosen Nagetiere dem Rattenfänger von Hameln. Sie frugen nicht nach ferner Abstammung, nicht, woher er kam, nicht, was er wollte, sie standen in seinem Banne und folgten ihm zur Residenz und verjagten die Dynastie der Wittelsbacher, die in Treue fast 800 Jahre lang in guten und m bösen Tagen Bayern regiert hatten. Risum teneatis amici! Lacht nicht, Freunde, bei Gott im Himmel, lacht nicht ! Bedenkt, welche Ironie, welch blutiger Witz der Weltgeschichte: Ein Fremdling in Bayerns Toren, ein dahergelaufener „Vorwärts"-Redakteur verjagt den Bayernkönig! Wie war das möglich?. Diese Frage heischt Antwort, offene, ehrliche Antwort. Die eiserne Front, die mitten in Frankreich stand, war unterminiert worden von unheimlichen Maulwürfen, die in asiatischem Pelze nach Deutschland sich eingeschlichen und die Arbeitermassen betört hatten, obwohl Lassalle selbst wohlmeinend in seinem Briefwechsel die Arbeiter gewarnt hatte. „Die Arbeiterbewegung hat sich fern zu halten von Kapitalisten und Juden; wo diese als Leiter und Führer auftreten, da verfolgen sie auch eigene Zwecke." Er hat recht behalten; die führenden Juden der Sozialdemokratie verfolgen eigene Zwecke? Wer sitzt heute in den Regierungen? Wer kommandiert, wer regiert das deutsche Volk? Die mit den langen Nasen, von denen Heinrich Heine sagt, es sind diese langen Nasen eine Art Uniform, woran der Gottkönig Jehova seine alten Leibgardisten erkennt, selbst wenn sie desertiert sind. Sie und die von ihnen Bethörten haben die Revolution gemacht, der sie in langen 50 Jahren durch wirtschaftliche und geistige Irrlehren in unserem Volke den Boden bereiteten. Aufgegangen ist die Drachensaat der revolutionären Sozialdemokratie, aufgegangen ist der unselige Samen, den Marx und Lassalle und ihre geistigen Epigonen Liebknecht, Singer, Rosa Luxemburg, Bernstein, Kautsky und wie sie alle heißen, die Deutschland in eine Judenplantage wandelten, mit nie erlahmender Zähigkeit in die Köpfe der deutschen Arbeiter säten. Das Ziel, das sich das „Kommunistische Manifest" im Jahre 1847 gesetzt, war am 7. Nov. 1918, also nach 51 Jahren, erreicht: "Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. ___gen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" Selbstentmannung auf offenem Markte. Am 11. Oktober 1914 hatten 93 deutsche Gelehrte und Künstler öffentlich geharnischten Protest erhoben, daß man uns Deutsche in der Welt als Hunnen und Barbaren brandmarkte. Ein Dr. Hans Wehberg hat nun bei den 93 Protestlern eine Umfrage veranstaltet, ob sie ihren Standpunkt vom Jahre 1914 heute noch aufrecht erhalten. Karl Hauptmann, seines Zeichens deutscher Literat und Bruder des Dramatikers Gerhart Hauptmann, hat darauf folgende Antwort gegeben: "Die Einsichten in die nackte Mechanik des politischen Lebens waren vor dem Kriege unter den Künstlern und Gelehrten sehr kümmerlich. Die deutschen Gelehrten und Künstler waren im Grunde idealistische, weltfremde Männer. Wenn wir damals mit solchem sich selbst täuschenden, lauteren Idealismus die Anwürfe der Feinde gegen die deutsche Politik mit Entrüstung empfanden und mit großer Gebärde zurückwiesen, so geschah das in gutem Glauben, aber ohne rechtes Verantwortungsgefühl. Heute wissen wir, wie hüben und drüben die politischen Zustände in den Raubtiertrieben der Menschennatur wurzeln. Hier und dort in aller Politik immer nur ganz skrupellos verfahren wird. Auch ich fühle meine damalige Abirrung von der persönlichen Zuverlässigkeit mit Schauder. Und ich bin für alle Lebenszeit ferner gewarnt vor dem jähen Herdentriebe, der die Menschheit Jahrtausende narrte." Der Reisezweck. — Z'wegn was möchtst denn nach Bayern eini? — Die Rebablik möcht i mir oschaugn. Deutsches Reichswappen. Dem deutschen Volke kann man zu solchen Hauptleuten nur gratulieren. Solche geistige Führer, die sich selbst revozieren, machen ein Volk auch in den Augen seiner Feinde — groß. Der selige Kurt Eisner würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüßte, daß ihn deutsche Gelehrte an Manneswürde noch übertreffen. Die Proletarierwelt von heute. In der Nacht vom 7. auf 8. November 1918 bekam die deutsche Menschheit einen ausgiebigen Vorgeschmack von der Welt, die die Proletarier gewonnen haben. Auf Lastautos, die von Maschinengewehren starrten, rasselten die Helden der Revolution durch die Straßen der Stadt. Ihre verzerrten Gesichter, ihr wildes Schreien und Johlen machten sie Bestien ähnlicher als Menschen. Wie losgelassene Narrenhäusler brüllten sie aus Leibeskräften ihren wahnsinnigen Schlachtruf Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit in die Lüfte. Das erste, was die Banditen der Freiheit taten, war, daß sie die Freiheit mordeten. Nur ihr Wille herrschte, sie griffen in das Gefühlsleben jedes einzelnen ein, der es wagte, mit ihrer Auffassung zu kontrastieren. Die deutsche Kokarde beleidigte ihr revolutionäres Auge. Ihr sicheres Gefühl für vornehmen Takt und freiheitliches Handeln hieß sie, Offizieren und Mannschaften das Symbol deutscher Kraft und Einigkeit, die deutsche Kokarde, vom Kopfe schlagen. Die Maulschelle und Ohrfeige avancierte zum Hausknecht der Freiheit. Neben dieser Freiheit, alle zu schlagen, zu mißhandeln, die nicht gleichen Sinnes waren wie die Herren der Situation, feierte das Prinzip der Gleichheit die merkwürdigsten Triumphe. Alle bemühten sich nach Können gleich roh und gleich gewalttätig zu sein. Die Brüderlichkeit der Revolutionäre hatte in der Revolutionsnacht noch keine Gelegenheit, sich so zu entfalten, wie sie es im Laufe der Revolution tat. Noske-Bluthunde, Arbeiterverräter, Scheidemann-Schuften sind Krafterzeugnisse der späteren Revolutionszeit. Der Volksstaat Bayern. Das Königreich Bayern war zerschlagen. Etwas Neues und Besseres sollte an seine Stelle treten. Da die führenden Köpfe von einer erstaunlichen Gedankenarmut waren, schrieben sie kurz entschlossen, die russische Revolution ab und bildeten sich auf diese geistige Bettlerarmut noch weiß Gott was ein. Am 8. Nov. 1918 wurde ein provisorischer Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat gebildet und zu seinem Vorsitzenden, weil nun einmal in Revolutionszeiten Israel Trumpf ist, Kurt Eisner gewählt. Der nahm natürlich das Maul ordentlich voll und dekretierte Bayern ist fortan ein Freistaat. Damit aber die breite Öffentlichkeit nicht merkte, wie er ihr Sand in die Augen streute und wie es ihm einzig und allein darum zu tun war, der Präsident dieses Freistaates zu sein und zu bleiben, log der Edelmütige, „eine konstituierende Nationalversammlung wird so schnell wie möglich einberufen". In Wirklichkeit aber ging sein ganzes Streben nur darauf hinaus, die Einberufung dieser Nationalversammlung ad calendas graecas zu verschieben. Aber einen wahren Satz enthielt sein Aufruf, der nicht aus unserem Gedächtnis schwinden darf: Eine neue Zeit hebt an! Diese neue Zeit laßt uns betrachten im Gegensatz zu der alten Zeit, die untergegangen ist, von der aber die Leute heute schon voll Wehmut und Trauer sagen: Sie kehrt nicht wieder die gute, alte Zeit. Weder für Bayern noch für Deutschland, wo in rascher Aufeinanderfolge in den einzelnen Bundesstaaten gleichfalls asiatische Kaftanträger den Umsturz anschürten und die Dynastien verjagten. Der Rat geistiger Arbeiter. Der Freistaat Bayern hatte im ersten Augenblick großzügig übersehen, daß es außer Bauern, Soldaten und Arbeitern in einer Kulturgemeinschaft noch einige andere Faktoren gibt, deren Mitarbeit für ein Gemeinwesen immerhin von einiger Bedeutung ist. Aber was kümmerten sich die Gandorfer, Sauber, Kübler und Konsorten um die geistigen Kräfte eines Volkes. Handel und Industrie, Wissenschaft und Kirche waren völlig ausgeschaltet aus dem Kraftmeierkollegium, das mit Bauernschläue, Soldatenmut und Arbeiterbildung sich an die Regierung eines großen Staates wagte. Der Sitzungssaal des Landtages bot einen herrlichen Anblick der Revolutionsintelligenzen, die da ihres Geistes Leuchte über das Land ausgossen. Aber schon nach 5 Tagen mußten selbst die Einfältigsten im Lande merken, daß man der Mitwirkung der geistigen Arbeiter nicht entraten konnte. Der „Kautskysche Über- mensch", oder wie Bebel so schön sagte, der „vollkommene,, Mensch, der die neue Wirtschaftsordnung ausheckt wie die Sonne den Froschlaich, versagte vollkommen. Am 13. November 1918 erschien daher ein Aufruf, in dem zur Bildung eines Rates geistiger Arbeiter aufgefordert wurde. Keiner der Bauern-, Soldaten- und Arbeiterräte hat gegen diesen Aufruf protestiert, keiner hat sich für einen geistigen Arbeiter gehalten. Wozu auch geistige Arbeiter? Im neuen Staate des Umsturzes ist Geist und geistige Arbeit nicht nötig. Mistgabel, Schaufel und Maschinengewehr ersetzen die geistigen Kräfte und unter ihrem Zepter blüht geheimnisvoll das neue Staatswesen. Wer's nicht glaubt, zahlt einen Taler oder er liest das Programm der neuen Regierung vom 15. November 1918 nach, woselbst er sich überzeugen kann, wie gigantisch sich in einem jungen Freistaat die befreiten Kräfte regen: „Bayern ist befreit. Ungeahnte Kräfte regen sich, um an dem Werk des Aufbaues des neuen Staates mitzuhelfen. Alles, was an verkümmerter Kraft, hoffnungsloser Sehnsucht, in dumpfem Groll schlummerte, steht jetzt, daß fortan für jeden Raum ist, an der Arbeit der Gemeinschaft sich zu betätigen. Das Leben gewinnt endlich Sinn und Zweck." Endlich, ach endlich hat das Leben Sinn und Zweck. Vorher, als wir einen starken Staat, Ordnung und Wohlstand hatten, war es schal und widerwärtig und unerträglich. Aber jetzt, wo eine „kaum mehr zu bändigende Ungeduld alle Seelen erfüllt, an der Neuorganisation zu wirken und zu schaffen", jetzt wahrlich ist's eine Lust zu leben. Wenigstens meinen es die Maulaffen und die Revolutionstagdiebe, die einer bedruckten Plakattafel ihre Lügen glauben, selbst wenn diese unter der Last derselben umzusinken droht. Im Lügen aber war Kurt der Erste Meister. Lassen wir ihm also das Wort und geben wir seinem Lügenhals wohlverdienten Laut. Unser Appell an das Weltgewissen blieb nicht ungehört. Wer lügt, lüge ganz. Die Halbheiten haben keinen Wert. Schwer lastete auf dem Deutschland der Revolution die Hand der Entente. Schon in der Nacht vom 10./11. November hatte Lügenkurt das Bedürfnis, die Regierungen und Völker Amerikas, Frankreichs, Englands, Italiens und die Proletarier aller Länder anzufunken und ihnen sein glorreiches Verbringen zu künden. Das bayrische Volk, jubelte der eitle Schwätzer, hat zuerst in Deutschland alle und alles beseitigt, was schuldig und mitschuldig an dem Weltkrieg war. Dann aber winselte er hündisch „in diesem Augenblick stürzt auf die junge Republick Bayern die Veröffentlichung der Waffenstillstandsbedingungen der alliierten Mächte herein. Alle Hoffnungen, die wir durch den Erfolg der Revolution hegen durften, sind damit zerstört. Die neue Republik wird, wenn diese entsetzlichen Bedingungen unabänderlich sein sollten, in kurzer Zeit Wüste und Chaos sein". In hündischer Unterwürfigkeit, wie sie nur asiatische Schmarotzer aufbringen, beschwor der internationale Bettler die imperialistischen Regierungen, in einer Tat erhabener Selbstüberwindung die für alle verhängnisvolle Liquidierung des Weltkrieges zu unternehmen. Er wurde keiner Antwort gewürdigt, nicht ein gutes Wort kam an seine Adresse. Aber gleichwohl log der langbärtige Sprüchemacher faustdick: „Die ersten Handlungen der revolutionären Regierung haben bedeutsame Erfolge gezeitigt. Die leitenden Männer der Entente sprechen nach der Umwälzung anders als zuvor. Unser Appell an das Weltgewissen blieb nicht ungehört. Die Waffenstillstandsbedingungen wurden erheblich gemildert. Der Geist des Patrioten, der die französische Republik leitet, spricht heute mit menschlichem Verständnis und Vertrauen." An dieser pfundigen Lüge ist der geschwätzige Fabulist nicht erstickt. Vielleicht deshalb nicht, weil sie unbewußt eine der größten Wahrheiten enthielt. „Die leitenden Männer der Entente sprechen nach der Umwälzung anders als zuvor." Weiß Gott, sie sprachen anders. Sprachen so, daß auch dem, der bisher in der Revolutionsfinsternis stockblind umhertappte, die Augen aufgehen müssen. Sprachen eine Sprache, laut und verständlich wie Heulen und Zähneklappern. Und der Geist des französischen Patrioten tränkt das Verständnis über das Unglück, in das uns diese gottverfluchte Revolution stürzte, auch in die hartgesottensten Dickschädel des Landes ein. Sein menschliches Verständnis und das blödsinnige Vertrauen eines krankhaften Phantasten zur Weltrevolution zahlt der Deutsche mit jahrelanger Knechtschaft und mit dem Die Abgebrühten. „Aus Wucher steht jetzt Zuchthaus, meine Herren". „Dös is dös Richtige — wer'S in dö letzten vier Jahrln zu nix bracht hat, dein g'hört's nöt anderschter!"
Stadtmuseum Bad Dürkheim im Kulturzentrum Haus Catoir

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Der über 2000-jährigen Tradition des Weinbaus in Bad Dürkheim entsprechend, ist das Stadtmuseum in einem ehemaligen Weingut untergebracht. Auf über...

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