Das erste Inventar des Neuen Palais in Potsdam aus dem Jahr 1784 erwähnt die Uhr „auf einer höltzern vergoldeten Console“ im zweiten Vorzimmer eines der beiden Fürstenappartements im ersten Obergeschoss des nördlichen hohen Flügels. Dabei handelt es sich offenbar um eine gezielte Erwerbung König Friedrichs II. von Preußen zur repräsentativen Ausstattung seines nach dem Siebenjährigen Krieg vollendeten Neuen Palais. In besagtem Schlossflügel befanden sich die Wohnungen für seinen Bruder Heinrich (Erdgeschoss) und möglicherweise auch für seine Schwester Amalie (Obergeschoss). Die Wahl dieses seit dem Ende des 17. Jahrhunderts beliebten Uhrentyps tête de poupée (Puppenkopf) zeigt beispielhaft den rückwärtsgewandten Geschmack des Königs bei der Einrichtung seines Prunkbaus. Zu dessen in den 1760er Jahren absolut veralteten hochbarocken Architektursprache passen jedoch solche Einrichtungsgegenstände aus der Zeit des französischen Königs Ludwig XIV. Der Entwurf zu diesem Uhrengehäuse wird dem Pariser Ebenisten André Charles Boulle (1642-1732) zugeschrieben, in dessen Besitz sich eine Rötelzeichnung der Pendule auf Konsole befand. Auftraggeber war vermutlich Nicolas Desmaret (1648-1721), Generalkontrolleur der Finanzen und Neffe des französischen Finanzministers Colbert. In der Folge wandelten Boulle, aber auch andere Pariser Werkstätten das Uhrenmodell mehrfach ab und kombinierten es mit Konsolen für die Wandbefestigung, Piedestalen oder mit Cartonnieren (Möbelstück zur Aufbewahrung von Dokumenten und Papieren). Die Uhr im Neuen Palais stand ursprünglich auf einer schweren, schwarz gestrichenen Holzkonsole mit „Holzbronze verziert“ (Inventar von 1811), war also an der Wand befestigt. Die Konsole verschwand um die Mitte des 19. Jahrhunderts, und die Pendule wird in verschiedenen anderen Räumen auf einem Kamin platziert.
Das auf einem Postament mit vier konisch zulaufenden Beinen stehende Gehäuse ist mit Schildpatt und eingelegten Messingadern furniert. Die Marketerie zeigt an den Seiten und am oberen Abschluss verschlungene Blattranken mit Blüten, während die in Rhomben eingelassenen Kreuzblumen auf der Fläche unterhalb des Zifferblatts aus blau hinterlegtem Horn bestehen. Alle Kanten sind mit glatten oder profilierten vergoldeten Messingbeschlägen eingefasst. Symmetrisch angebrachte Akanthusblätter nehmen die Rundung unterhalb des Zifferblattes auf. Die Füße und Applikationen bestehen aus feuervergoldetem Gelbguss. An den drei Schauseiten des Podestes hängt locker eine prächtige vergoldete Decke, auf der Chronos, der hier mit Kronos/Saturn gleichgesetzt ist, mit aufgestütztem linken Arm und leicht erhobenem Oberkörper liegt. In seiner erhobenen rechten Hand hält er die Waage empor, die linke umfasst den Griff einer Sense, deren Blatt verloren ist. Bekrönt wird die Uhr von dem geflügelten Eros (Amor) als Symbol der Liebe mit einem Palmwedel in der linken Hand.
Das Modell der Saturn-Figur schuf der französische Bildhauer François Girardon (1628-1715), der mit seinem Atelier im Louvre ein Nachbar Boulles war, zuerst für das Bassin de Saturne (oder l’Hiver) in den Gärten von Versailles (1677 vollendet). Als Vorbild für den Amor an der Uhr diente ein Werk des Bildhauers François Duquesnoys (1597-1643). Bei einer früheren Restaurierung der Pendule sind die Attribute der beiden Akteure Chronos und Eros allerdings sinnentstellend angebracht worden. Bei der eigentlichen Bildidee von "Le Temps couché", so der französische Titel, entwendet Eros dem Chronos die Sense und triumphiert damit als Sieger über die Zeit als oberer Abschluss der Uhr über den unter dem Zifferblatt liegenden, geschlagenen Zeitgott. Denn ohne seine Sense ist Chronos machtlos, ihm bleibt nur noch die Waage in seiner Hand, mit der er das menschliche Tun misst. Sie verweist aber auch auf ein wesentliches technisches Teil im Uhrmechanismus: Die Waag reguliert die Uhrenhemmung und sorgt damit für einen gleichmäßigen Gang – so wie der Zeitgott Chronos Sinnbild für den gleichmäßigen und nicht aufzuhaltenden Ablauf der Zeit ist. (Silke Kiesant)