Das Abendkleid aus blauer Seide stammt aus dem Besitz von Friederike Sternheim, geb. Cohen (1809-1887), Ehefrau das hannoverschen Bankiers Markus Coppel Sternheim (1803/05-1861). Sternheim betrieb ein Bank- und Wechselgeschäft in der Schillerstraße und war zudem ‚Hauptcollecteur‘, sprich Steuereinnehmer, für seinen lokalen Bezirk.
Das Material des Kleids – blaue Seide mit eingewebtem Blumenmuster (Jacquard) – bezeugt den finanziellen Status der Familie Sternheim. Das Ensemble besteht aus einem Rock und einem Oberteil, die beide im Rücken durch Häkchen geschlossen werden; außerdem lässt sich der Rock durch Häkchen am Oberteil befestigen. In das Oberteil ist ein Mieder mit Fischbeinstäben eingenäht. Es handelt sich um ein Abendkleid im typischen Modestil der späten 1850er Jahre.
Der Rock erhielt Volumen durch einen strategisch gerafften Unterrock und eine Krinoline mit Stahlreifen. Diese Form des ‚Reifrocks‘ war erst 1856 erfunden worden und führte schnell zu immer ausschweifenderem Rockvolumen. Das größte Ausmaß erhielten Röcke um 1860; im Vergleich dazu ist der Umfang dieses Exemplars dezent. Allerdings weist der Reifrock Umarbeitungsspuren auf, die Silhouette kann ursprünglich demnach etwas anders ausgesehen haben. Auch der Spitzenbesatz am Halsausschnitt wurde später angebracht. Stilistisch typisch für die Entstehungszeit sind jedoch die weiten Pagodenärmel.
[EH]
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