Die Pose ist klassisch: So haben Fotografen, Maler und Bildhauer ihre Modelle seit 2 000 Jahren abgebildet. Die Augen des Mannes blicken aufmerksam zu einem Punkt außerhalb des Bildrandes. Das ergraute Haar ist dem Mann hoch über die Stirn zurückgewichen, seine Augen sind von vielen Fältchen umrahmt. Über der Nase ist eine waagerechte Falte zu sehen. Der Mann zeigt Haltung: Die „steife Oberlippe“ ist ihm zur Gewohnheit geworden. Doch die Unterlippe ist weich und voll, er ist gut genährt. Liegt Schalk in seinen Gesichtszügen? Der Rahmen aus dunklem Holz besitzt an seiner Innenkante ein umlaufendes Goldornament: Nicht den Rahmen selbst betont dieses Zierelement, sondern das Porträt, dem es zugewandt ist.
Nichts über den Mann ist bekannt, ebenso wenig über das gerahmte Bild. Das Alter des Bildes lässt sich nur erahnen, es stammt wohl aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Nicht einmal das Zugangsjahr ist noch feststellbar: Woher der Mann kam, welchem Handwerk er nachging – ob er überhaupt Handwerker oder Fabrikant war? Es gibt keine Hinweise.
In den Anfangsjahren verstand sich das Freilichtmuseum als „Museum Technischer Kulturdenkmale“ – im Fokus standen die Werkstätten und Betriebsgebäude, kaum jedoch die Arbeiter und Fabrikanten. Erst seit den 1980er-Jahren erforscht das Museum systematisch auch die Sozialgeschichte der Handwerke. Doch haben die Museumsgründer, wo es sich ergab, auch historisches Quellenmaterial, z. B. Geschäftsbücher, Fotografien und Akten, gesammelt. Für die Forschung ist das ein Glücksfall, auch wenn durch fehlende Dokumentation nicht mehr alle Objekte näher bestimmt werden können, so wie bei diesem Porträt.
(Autor: Lutz Engelskirchen)
en
