Noch vor dem Jahr 1000 entstand diese Handschrift, deren kostbares Äußeres symbolisch die im Inneren bewahrten heiligen Worte des Glaubens umschließt. Dieses Evangelistar enthält diejenigen Texte der Evangelien, die in der Messe im Verlauf des Kirchenjahres gelesen werden - hier beginnend mit der Vigil (Nachtgottesdienst) vor Weihnachten.
Vermutlich gestiftet bzw. in Auftrag gegeben anlässlich der Weihe der Domkrypta 974 und dort bestimmt für einen Altar zu Ehren Johannes des Evangelisten und Johannes des Täufers (Carmassi 2018), veranschaulicht das Elfenbeinrelief auf dem vorderen Deckel die ersten Worte des Johannes-Evangeliums: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war beim Herrn, und der Herr war das Wort":
Johannes sitzt an einem Schreibpult, zu seinen Füßen einen Kasten mit Schriftrollen, und diktiert seinem Schüler die von Gott inspirierten Worte, die er in dem Buch auf seinen Knien präsentiert. Über dem Geschehen sitzt das Attribut des Johannes, ein Adler mit einer Schriftrolle in den Klauen in einer Architektur aus Mauern und Türmen, die vermutlich das Himmlische Jerusalem andeuten.
Obwohl einige der ursprünglich angebrachten Edelsteine noch vorhanden sind, hat das offenbar stark genutzt Buch in den folgenden Jahrhunderten Ergänzungen und Reparaturen erfahren: So verweist das Silberblech mit dem Wappen des Albrecht von Altenburg unterhalb des Elfenbeins auf dessen Tätigkeitszeit zwischen 1248 und 1271, als Albrecht erst als Domherr, dann als Thesaurar und später als Dechant am Dom Halberstadt nachweisbar ist. Ebenfalls auf ihn dürfte die in Silberblecht geprägte Kreuzigung Christi oberhalb der Elfenbeintafel zurückzuführen sein. Auf das Ende des 13. Jahrhunderts wird der Stern mit Edelstein rechts oben datiert. Aus dem 14. Jahrhundert stammen die vergoldeten Silberstreifen auf den Rändern, in die weitere Sterne mit Edelsteinen und Emaillierungen eingelegt sind. Um 1500 ist die Handschrift neu gebunden worden. Aus dieser Zeit stammt auch der Buckrücken mit seinem Lederbezug und Blindstempeln.
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